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Christian Falkner for  SSBA Salon
For the exhibition A crater is blasted into the surface of the moon. No specific shape.
at Stadsschouwburg, Amsterdam

It has been a while now that I’ve read Gogol’s Dead Souls. But there is one passage that I still remember. It is one of the ironic moments when the author gets in conversation with the reader, imagining his expectations. “Do we not know ourselves that there is much in life that is contemptible and stupid? Even without that, one often chances to see things which are by no means comforting. Better present us with something beautiful, captivating. Better let us become oblivious.”
Look at the sky above. Keeping a closer watch on it, you will recognize that almost each second, you will get a new visual sensation. The moment we are seizing is already lost in that same instant. There won’t be concrete answers.
Places I‘ve never been to. Experiences made by others. Be part of them through collective memory. Imagined journey. Imagined imaginations. Impressions of someone else. Moments I‘ve experienced. Outstanding. Ordinary. Mix it up. All mixed up. If we create some virtual space, could this again lead to a genuinely individual experience? I wish you were here. Where did you lose yourself? Narration without words. Telling between the lines. Pasted pieces never make a whole. Is that true? Memories are unclear. A lack of sharpness. As well as the desperate attempt of catching moments with the low quality camera of my cheap smartphone. One might call it reality. Lay your mind down. Let it get covered with a shimmering layer of everything. Blame it on the moon. Light as an element of experience. A non-materialized element. No object. A priori unemotional. Ever-present. Light as a basis for a conglomeration of circumstances that creates moments of sustainable experience.
What do sunsets do then? They make Nature grimace, of course, in order to prove […] that the moment is unique and we shall never look on its like again.” (T.J. Clark). In recalling situations we recreate them. No thing is unalterable. And in between the singing of crickets one can hear nothing. In between the singing of crickets one could hear everything.

Speech by Simone Wackershauser about the work of Christian Falkner
For the exhibition Nacht 2015 at Landgericht Baden Baden


Farbverläufe, All-Over – Himmelsbetrachtungen, Farbräume – virtueller Raum, Meditation – Zimmerreisen – Sonnenuntergang, Kitsch – das sind die ersten Eindrücke die mich umgeben, als ich Christian Falkner in seinem Atelier in Karlsruhe besuche.
Ein Zimmerbrunnen steht in einer Ecke. Es duftet nach frisch gebrühtem Kaffee. Eine Serie kleinformatiger Farbverläufe an der Wand trägt den Titel „Where did you lose yourself“ (2012 / 2013). Je länger ich auf die kleinen Papierarbeiten blicke, umso mehr Farbabstufungen entdecke ich. Das hat beinahe etwas Meditatives. Es sind Farbräume, verschiedene Ebenen, die sich erschließen, je länger man auf die Malereien blickt.

Was fasziniert Falkner an dem malerischen Prozess der Wiederholung? Versinkt der Künstler womöglich selbst beim Malen in seine Schicht über Schicht mit Ölfarbe und Sprühlacke bearbeiteten Papiere und Leinwände?
Stefan Zweig schreibt 1927 in
Das Geheimnis des künstlerischen Schaffens: „(...) wenn Künstler so selten über ihre inspirativen Minuten berichten, so ist der Grund ganz einfach – dass sie in diesen Minuten bei dem schöpferischen Prozess gar nicht mit ihrem Bewusstsein dabei sind. (…) dieses Nicht-Dabeisein des Künstlers im Augenblick der Produktion scheint im ersten Moment vielleicht unlogisch. (...) In Wirklichkeit ist dem Künstler Produktion doch nur möglich im Zustand eines gewissen Von-sich-selbst-Fortseins, einer Ekstase – heißt dieses griechische Wort Ekstase übersetzt doch nichts anderes als 'außerhalb seiner selbst sein'.“
Während unserem Gespräch erfahre ich, dass es in der Falkner'schen Malerei keinen konkret definierten Inhalt gibt. Beobachten, Wahrnehmen, Verarbeiten und Zurückerinnern an etwas bereits Gesehenes – das sind die Prozesse die stattfinden und dargestellt werden. Es geht Falkner darum, sogenannten „virtuellen Raum“ zu kreieren. Malerisch sichtbar wird dies als endloser (Farb-)Raum, ein 'freies Feld' mit Anhaltspunkten, jedoch ohne Begrenzungen.
In „39 Tage (Mont Ventoux)“ (2014) visualisiert Falkner eine imaginäre Reise, angeregt von einem Brief Francesco Petrarcas. Darin schildert der Dichter seine Besteigung des Berges Mont Ventoux in der französischen Provence. An einer Stelle zitiert Petrarca die Confessiones des Hl Antonius: „Da gehen die Menschen, die Höhen der Berge zu bewundern und die Fluten des Meeres, die Strömungen der Flüsse, des Ozeans Umkreis und der Gestirne Bahnen, und verlieren dabei sich selber.“ Das ist als Verweis zu lesen. Petrarca erfährt die Transzendenz.
Den Ausgangspunkt für Falkners Malereien bildet ein sich stets erweiterndes Fotoarchiv mit einer Sammlung von Momentaufnahmen. Die Farbschichten seiner Malereien können als Erinnerungsüberlagerungen gelesen werden. „Jede Fotografie ist eine Art memento mori. Fotografieren bedeutet teilnehmen an der Sterblickeit, Verletzbarkeit und Wandelbarkeit anderer Menschen (oder Dinge). Eben dadurch, dass sie diesen einen Moment herausgreifen und erstarren lassen, bezeugen alle Fotografien das unerbittliche Verfließen der Zeit“, schreibt Susan Sonntag in On Photography, 1977.
Neuerdings tauchen einige dieser Fotografien auch erstmals im Portfolio des Künstlers auf. Mit dem Handy aufgenommen, wird die exakte Zeitangabe gespeichert. Diese ergibt den Titel der einzelnen Werke. Bei „untitled (evening nine seconds)“ (2015) geht es um Vergänglichkeit, um die verlorene Zeit. Die Fotos stehen direkt nebeneinander. Sofort stellt sich die Frage nach dem nicht vorhandenen Bild zwischen den Aufnahmen. Es gibt keinen fließenden Übergang wie bei einem Film, sondern den direkten Cut, die direkte Gegenüberstellung von zwei oder drei Momenten. In der Ästhetik der Fotografien spiegelt sich ihr Aufnahmetempo wieder. Falkner konzentriert sich bei „untitled (evening nine seconds)“ (2015) ausschließlich auf den Blick in den Himmel, trifft die Auswahl und drückt den Auslöser.

Look at the sky above. Keeping a closer watch on it, you will recognize that almost each second you will get a new visual sensation.“ schreibt Falkner in einem Text über seine Arbeiten und ich muss an die ersten Eindrücke im Atelier denken.

Simone Wackershauser